Tag 9 – Paradise und St. Helens

So ohne Internet lebt es sich teilweise ganz anders. Da ich nicht mehr wusste, was man machen kann, entschied ich mich für das Bett. Es war vielleicht 22 Uhr. Ich weiss es nicht mehr. Der Schlaf tat gut. Und dementsprechend früh sind wir aufgestanden und haben bei blauem Himmel im Wohnmobil gefrühstückt. Paradise folgte als nächstes. Oben angekommen machten wir eine kleine Wanderung. Aus der Ferne leuchtete das Eis eines Gletschers leicht grün. Der Wunsch demnächst einen Gletscher zu besuchen und Fotos zu machen wuchs in mir.

Langsam zogen sich mehr und mehr Wolken um den Gipfel. Gestern waren keine Wolken zu sehen. Glück gehabt was den Sonnenuntergang und die tolle Szenerie betrifft. Auch der Wanderweg sieht anstrengender aus, als erwartet. Es geht zurück. Die letzten Meter unentdeckter Asphalt, unzählige Serpentinen und wir sind aus dem NP wieder raus.
Eine Anmerkung noch. Wenn hier im Frühling die großen Mengen Schnee schmilzen, können schon mal Straßen und Brücke weg geschwemmt werden. Es werden nur 5% der gesamten Fläche von Menschen bewirtschaften. Ansonsten gilt hier: Der Park gehört der Natur. Nur ist es aberwitzig, wenn Park Ranger und Helfer an den Ufern kleine Bäume pflanzen und mit Gieskanne bewässern.
Wir sind außerhalb des NP. Wir entscheiden uns für eine Abkürzung. Und was für eine. Erst waren noch Häuser an der Straße. Es wurden weniger. Die Straße verlief durch ein Tal und neben der Straße ein Bach oder Fluss. Also ein fließendes Gewässer. Die Straße wird im Winter geschlossen. Sie ist also nicht ganz so wichtig für die Region. Und das merkte ich auch bei der Fahrt. Die Stroßdämpfer sind gut, das Wohnmobil quietscht etwas, aber das merkt man nach einer Stunde auch nicht mehr. Die Straße wurde immer schlechter und es war nur noch gemäßigtes Tempo angesagt.
Es ergab sich allerdings an einer Stelle meine Drohne etwas rumzufliegen, ohne das jemand in seinen Persönlichkeitsrechten sich gestört fühlen musste. Hier war nämlich kaum jemand. In Packwood kamen wir dann nach gefühlt zwei Stunden zurück in die Zivilisation. Kurz das Internet angeworfen, was nur durch ein Cafe zur Verfügung stand und weiter. St. Helens stand noch auf dem Plan. Von der viel befahrenen Straße runter und wieder eine Straße, die im Winter geschlossen wird. St. Helens ist vor ca. 35 Jahren ausgebrochen. Mai 1980 war es. Also noch recht aktiv. Die Straße hingegen war sehr inaktiv besucht. Zu erst fuhr noch ein Explorer Truck mit dem deutschem Kennzeichen vor uns. März bis April war die Zulassung. Der Truck drehte irgendwann wieder um. Nur noch vereinzelt, maximal 5 Fahrzeuge, kamen uns entgegen. Dann ging es vom National Forest zum National Monument. Hier kamen auch noch wenige Fahrzeuge entgegen. Die Straße hatte eine noch krassere Qualität, als der Vorgängerschleichweg. Nach unzähligen Stunden Fahrt kamen wir am Windy Ridge Viewpoint an. In Angesicht mit dem Vulkan gab es dann Pizza im Ofen. Es war stockduster. Die Berghänge teilweise noch leer gefegt vom gigantischem Ausbruch, dass es eher einer Marslandschaft glich. Keine künstliche Lichtquelle. Kein Mond. Nur ein paar Wolken, die vor den Sternen hingen.
Mt. St. Helens. Um den Gipfelkrater, der vor 35 Jahren explodierte, hingen nur Wolken.
Ein anderer Vulkan. Mt. Adams
Mir war nicht ganz wohl. Alleine soweit ab von jeglicher Gesellschaft. Wir machten uns auf den Weg zur nächsten Stadt. Und das dauerte. Wir mussten natürlich den gesamten Weg zurück fahren und dann ab der Abzweigung weiter Richtung Cougar gurken. Ein perfekter Ort für einen Serienkiller. Wir hatten bestimmt seit 5 Stunden oder mehr keinen anderen Menschen mehr gesehen. Bei der schlechten Straßenqualität kann man schon jemanden vom Weg abdrängen und niemand findet uns wieder. Ja, jetzt kommen all die Szenen in den Kopf, die in den Filmen zu sehen sind. Links der Berg, rechts der Abhang. Nichts. Stundenlang kein Licht. Dann irgendwann wenigstens wieder Bäume. Aber trotzdem nichts. Hier waren Quadratkilometer unbewohnte Erde. Nicht bewohnt.
Zwischendurch mussten wir dann mitten auf der Straße anhalten. Es hätte Walking Dead sein können. Ich hatte extra einen Gang drin und nur den Fuss auf der Bremse. Das Gaspedal hätte ich schnell durchdrücken können. Schilder werden plötzlich zu Figuren. Ich sah Schatten, wo nur Abgrund war und dachte, da leuchtet jemand von hinten gegen einen Baum. Und dann im Waldstück steht in der Kurve ein Auto. Die Innenbeleuchtung war an. Das Auto von draußen verdreckt und ein merkwürdiger Mensch saß drin. Es hätte der Serienkiller sein können. Ich machte mir schon Gedanken, wie ich ihn mit dem Wohnmobil abdrängen würde. Eine Chance hätte er nicht gehabt. Mein Plan war schon in kurzer Zeit sehr ausgetüftelt. Am Wegesrand stehen Meilensteine. Langsam geht die Straße zu Ende. Gott sei dank.
Wir kommen an elektrifizierten Gebäuden vorbei. Es scheint ein Staudamm zu sein. Endlich wieder Zivilisation. Gegenverkehr. Keine Serienkiller. Glück gehabt.
Irgendwo haben wir wieder Internet und navigieren einen Campingplatz an. Wir folgen der Straße 503. Eine Motorradstrecke wie im Paradies. Jede Kurve wird hier mit der empfohlenen Geschwindigkeit angezeigt. Und auch mit dem Wohnmobil macht es Spaß. Irgendwann landete allerdings das Laptop auf dem Boden. Das war wohl eine Kurve zu viel. Wir kommen am Campground an. Ich habe mit T-Mobile 4G. Irgendwo muss eine Großstadt sein. Ja, wir sind vor den Toren Portlands angekommen. Was für ein Tag.

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